Rede des BBV-Fraktionssprechers Klaus Quinten zur Abstimmung über den städtischen Haushalt-2016 und dem Investitionsprogramm (es gilt das gesprochene Wort).
Sehr geehrter Herr Bürgermeister!
Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Ach, Herr Lohde: Eine der schlechtesten Eigenschaften des Fernsehens in Deutschland ist der Umstand, dass dort ständig gekocht wird. Und jetzt machen Sie das hier im Stadtrat!
Die Anrede "Kolleginnen" bzw. "Kollegen" ist übrigens keine Floskel: Der Stadtrat ist nämlich ein Kollegialorgan, kein Parlament im klassischen Sinne (mit Regierungsmehrheit und Opposition), er ist ein Verwaltungsorgan, ein Exekutivorgan. De facto gibt es natürlich auch in vielen Gemeinde- bzw. Stadträten eine Opposition, nämlich bei festgefügten Mehrheiten, z.B. bei Koalitionsmehrheiten. Bei uns in Fürstenfeldbruck gibt es solche festgefügten Mehrheiten nicht, also hat auch Opposition wenig Sinn. Deshalb müssen Sie sich nicht grämen, Herr Lohde, wenn der Krüglredner vom Starkbierfest in der Marthabräuhalle kritisiert, Sie kämen mit der Oppositionsrolle nicht zurecht. Opposition gegen wen auch? Sie stellen die stärkste Fraktion, Ihr Fraktionskollege Erich Raff ist seit der letzten Haushaltsverabschiedung (24.3.2015) schon etwas länger amtierender Bürgermeister als OB Pleil vor seiner schweren Erkrankung. Was soll hier Opposition?
Lassen Sie mich auf einzelne Aspekte eingehen. Zunächst zu den neuen Stellen. Die Vorschläge der Stellenplankommission bzw. deren Berechtigung wurden auch von Ihnen nicht bestritten, es waren Ihnen nur insgesamt zu viele Stellen. Ein starker Nachholbedarf, die vielen Überstunden und die notwendige Einstellung von Erzieherinnen haben eben zu dem Vorschlag der Kommission geführt, er ist schlüssig. Begrenzungen im Personalbereich sind noch am ehesten im Bestand zu rechtfertigen bzw. möglich und in Zukunft wohl auch nötig.
Mein nächster Aspekt sind die Ausgaben für den Fliegerhorst. Sie sind leider notwendig. "Leider" wegen der Unsicherheit in der Zeitplanung und wegen der Unsicherheit bei den Kosten für den künftigen Grunderwerb. Was uns da zugemutet wird von der Bundeswehr bzw. von der BIMA, auch in Zusammenhang mit der Feuerwehr, ist kaum erträglich, ist eben eine Zumutung! Unsere prominente Bundestagsabgeordnete mit ihren besten Beziehungen nach oben ist uns in dieser Angelegenheit wenig behilflich, was da kommt, ist – gelinde gesagt- enttäuschend, es kommt nix! Ähnlich ist es im Landtag: Der Einsatz unserer Brucker CSU-Abgeordneten für dringend notwendige Verbesserungen im Bereich der S4 ist äußerst bescheiden! Aber nochmal zum Fliegerhorst: Trotz Risiken und Zumutungen besteht Handlungsbedarf. Wenn wir nichts tun, sprich: wenn wir nicht in finanzielle Vorleistungen gehen, werden wir künftig einem oder mehreren Großinvestoren ausgeliefert sein. Wir müssen hier gewisse finanzielle Risiken eingehen- nicht zu handeln wäre noch riskanter!
Nächster Aspekt: Investitionstätigkeit/Neuverschuldung
Wir investieren heuer für knapp 14 Millionen, die Nettoneuverschuldung beträgt voraussichtlich 6,3 Millionen Euro. Davon sind über 5,3 Millionen rentierliche Schulden (für Wohnungen und die Kläranlage), d.h. durch sie wird die finanzielle Handlungsfähigkeit der Stadt auf Dauer nicht beeinträchtigt. Das bedeutet, dass in diesem Jahr trotz der durch die bekannten Umstände schwierigen Haushaltslage (besonders hohe Kreisumlage, besonders niedrige Schlüsselzuweisungen) die tatsächlich belastende Nettoneuverschuldung nur 1 Million Euro beträgt.
Viehmarktplatz: Wir haben uns ja in der letzten Ausschusssitzung darauf geeinigt zu versuchen, Veräußerungserlöse und Ablöse für Tiefgaragenplätze von insgesamt 4 Millionen Euro zu erzielen. Zeitliche Verschiebungen beim Viehmarktplatz wären schädlich: Es geht nicht nur darum, für die Bürger einen gefälligen Aufenthaltsbereich zu schaffen, sondern es geht auch um einen sehr wichtigen Standortfaktor für die Geschäfte im Zentrum, besonders deshalb, weil uns bzw. den Geschäften durch geändertes Kaufverhalten (Online-Handel!) in den nächsten Jahren noch einiges Unerfreuliche bevorstehen könnte.
Lichtspielhaus: 240.000 Euro sind dafür im Haushalt vorgesehen, das sind 1,7 Prozent unserer diesjährigen Investitionen, da ist Gejammere oder Gezetere alles andere als angebracht. Das Lichtspielhaus ist unserer Meinung nach enorm wichtig als soziokulturelle Einrichtung nahe der alten Innenstadt, es bedeutet – wieder in Betrieb- gelebten Denkmalschutz und ist ein sog. weicher Standortfaktor für die Innenstadt. Der Haushaltsansatz entspricht der Beschlusslage (auf Basis einer breiten Stadtratsmehrheit), und wenn Ihnen, meine Damen und Herren von der CSU, das Ganze nicht mehr passt, müssen Sie einen Antrag stellen und die Sache neu aufrollen. Ein echtes Problem beim Lichtspielhaus ist die Tatsache, dass immer noch ein geeigneter Betreiber fehlt: Darum müssen wir uns kümmern!
Als eine Art Resümmee darf ich einen Rathausreport-Artikel des Kollegen Herwig Bahner aus dem Frühjahr 2010 zitieren: "Den Schulden der Stadt stehen erhebliche Werte gegenüber", so die Überschrift, und er listet u.a. folgende Bauinvestitionen auf: "Kultur- und Freizeitzentrum Fürstenfeld..., Grundsanierungen und Erweiterungen fast aller Schulen, neue Kindergärten, Krippen, Horte, Mittagsbetreuung, das Mehrgenerationenhaus... und vieles mehr." Das war und ist alles richtig, aber solche Investitionen sind nicht nur sinnvoll und nützlich, der Aufwand für den Unterhalt der geschaffenen "Werte" belastet den Haushalt dauerhaft, Gleiches gilt für Betriebskosten. Im Jahr 2010 lag der Schuldenstand der Stadt bei 41 Millionen Euro, 2016 werden es am Ende ca. 40,5 Millionen sein und das bei relativ niedriger Zinslast. Die für die nächsten Jahre geplante Kreditaufnahme und der Anstieg der Schulden deutlich über den Stand von 2010 beruhen wieder zu einem erheblichen Teil auf geplantem Wohnungsbau , und Wohnungsbau, sorgfältig geplant und kalkuliert, wird den städtischen Haushalt effektiv nicht belasten. Die Zinslast der Stadt lag von 2010 bis 2012 bei ca. 1,5 Millionen pro Jahr, heuer liegt sie bei 0,95 Millionen, bis 2019 wird sie laut Finanzplan lediglich auf 1,1 Millionen pro Jahr ansteigen; dies liegt am allgemein niedrigen Zinssatz und an besonders günstigen Förderkrediten.
Die Frage der Genehmigung des städtischen Haushalts orientiert sich an den Begriffen "Pflichtaufgaben" und "freiwillige Leistungen"; für letztere wird die Genehmigung von Krediten durch die Rechtsaufsicht im Landratsamt gerne restriktiv gehandhabt. Was "freiwillige Leistungen" sind, ist aber nirgends klar und verbindlich definiert, hier gibt es durchaus einen Ermessensspielraum, die Gemeinden sind der Rechts- und Fachaufsicht keineswegs schutzlos ausgeliefert. Man kann verhandeln, und es gibt die Möglichkeit des Widerspruchs und der Anfechtungsklage. Der Artikel 57 der Gemeindeordnung (GO) beschreibt die Aufgaben der Städte und Gemeinden : Sie sollen "in den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit die öffentlichen Einrichtungen schaffen, die nach den örtlichen Verhältnissen für das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Wohl und die Förderung des Gemeinschaftslebens ihrer Bewohner erforderlich sind"; u.a. werden dabei auch "Jugendertüchtigung", "Breitensport" und "Kulturpflege" genannt. "Belange des Natur- und Umweltschutzes" seien dabei "zu berücksichtigen".
Es ist weitgehend unumstritten, dass unser Haushalt unter einem Strukturproblem leidet. Die Einnahmen aus Gewerbesteuern sollten dauerhaft höher sein. Wir sind deshalb für eine gewerbefreundliche Politik - in der Vergangenheit war allerdings nicht jede Betriebsansiedlung sinnvoll. Weiche Standortfaktoren sollen unsere Stadt für zusätzliche Gewerbeansiedlung noch interessanter machen, dazu gehören die ansprechende Gestaltung des Viehmarktplatzes, attraktive Wegeverbindungen an der Amper, dazu gehören aber auch das Lichtspielhaus und ein überdachtes Eisstadion. Das verabschiedete Vergnügungsstättenkonzept soll und kann dazu beitragen, Imageverluste in Gewerbegebieten zu vermeiden bzw. rückgängig zu machen, und natürlich sind wir bereit Kredite aufzunehmen für künftigen Gewerbegrund im Fliegerhorst. Zum Strukturproblem fast aller kommunalen Haushalte tragen auch die "exorbitant steigenden Ausgaben im Sozialhaushalt, bei Kindergärten, Kinderkrippen, Horten, Schülerbetreuung und ... Bildung" bei, diese könnten die Kommunen "alleine nicht dauerhaft bewältigen. Bund und Land sind hier noch weit mehr als bisher gefordert." ( Bahner im Jahre 2010, s.o.; dies gilt heute erst recht.)
Ein paar Worte zum Thema Eishalle: Worum geht`s? Es geht darum, sich in einen angemessenen Wissensstand zu versetzen: Was ist wo möglich? Was kostet es? Wie ist es zu finanzieren? Was bringt eine Eishalle? Was kostet der Betrieb? Nur wenn man das einigermaßen sicher weiß, kann man begründet für oder gegen eine bestimmte Planung entscheiden. Eine Eishalle bedeutet unserer Meinung nach ein erheblich besseres Angebot für die Bürger, sie würde in der kälteren Jahreszeit eine Lücke schließen im Sinne des Artikels 57 GO, sie bedeutet weniger Energieverschwendung und wäre eine Werbung für Stadt und ihren Betreiber, die Stadtwerke. Wir haben eine ganze Menge an Sporthallen in der Stadt, sie gehören uns, dem Landkreis oder dem Fliegerhorst. Wir sehen auch den Bedarf für eine weitere Sporthalle im Westen, aber es bedarf noch einer sinnvollen Planung. Eine Eishalle hat für uns hohe Priorität, eine Machbarkeitsstudie ist überfällig. Eine Eishalle, wie sie für Bruck nötig ist, ist kein Palast, sondern eine Sporthalle wie andere auch, nur eben für Eissport, mit entsprechendem Boden.
Abschließend möchte ich bekunden, dass wir unseren Oberbürgermeister sehr vermissen. Wir hoffen, dass sein Genesungsprozess weiter vorankommt. Seine Abwesenheit bedeutet für uns erschwerte Arbeit, auch für Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ist die Situation sicher nicht ganz einfach. Die richtige Reaktion auf die Erkrankung und lange Abwesenheit unseres OB kann nur heißen:
Sachlich arbeiten! Wir von der BBV sind nicht die größte Fraktion und stellen derzeit nicht den amtierenden Bürgermeister, aber wir verstehen uns nicht als Opposition, so wie dies die Mehrheitsfraktion in Teilen von sich durchblicken lässt. Wir wollen mit allen konstruktiv zusammenarbeiten und dadurch unsere Stadt voranbringen. Dem Herrn Bürgermeister Raff haben wir schon öfters für seine sachliche Arbeit unsere Anerkennung ausgesprochen (heute hat er wohl einen schlechten Tag, aber das kann schon mal vorkommen!), das Gleiche gilt für die 3.Bürgermeisterin, Frau Geißler, die die Haushaltsberatungen sehr gut geleitet hat.
Unser Dank gilt der ganzen Verwaltung für die geleistete Arbeit, aus gegebenem Anlass insbesondere der Kämmerei, vor allem für die schnellen Auskünfte bei Nachfragen.
Der vorliegende Haushaltsplan wurde ausführlich beraten, diskutiert und mehrfach abgeändert. Er ist eine gute Arbeitsgrundlage für die Verwaltung. Die BBV-Fraktion stimmt dem Haushalt 2016 und dem Investitionsprogramm zu.
Vielen Dank!